Was bedeuten die Farben und Farbabstufungen auf der Karte?
Wir haben jeder Partei eine naheliegende Farbe zugeordnet: CDU/CSU (Union) Schwarz, SPD Rot, der Linken Lila, den Grünen Grün und bei Bedarf der FDP Gelb und der AfD Blau.
Liegt also ein Kandidierender einer Partei aktuell in einem Wahlkreis vorne, ist dieser Wahlkreis mit der entsprechenden Parteifarbe unterlegt. Dabei gilt: Je sicherer bzw. unsicherer ein Erfolg für den Kandidierenden ist, desto dunkler bzw. heller ist der jeweilige Farbton.
Auf der Basis von Erfahrungswerten der letzten fünf Bundestagswahlen haben wir drei Stufen einer Art »Erfolgswahrscheinlichkeit« für den jeweils führenden Kandidierenden in einem Wahlkreis entwickelt:
- sehr unsicher: ≤ 15 Prozent Erststimmen-Abstand zum Zweitplatzierten
- unsicher: > 15 und ≤ 30 Prozent Erststimmen-Abstand zum Zweitplatzierten
- sicher: > 30 Prozent Erststimmen-Abstand zum Zweitplatzierten
Je heller also ein Wahlkreis eingefärbt ist, desto unsicherer ist der Sieg in einem Wahlkreis für den aktuell führenden Kandidierenden und umgekehrt.
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Was sind Direktmandate wert?
Welche Partei wie viele Abgeordnete im Bundestag hat, das hängt allein am Zweitstimmenergebnis. Es sind die Zweitstimmen, deren Addition den bundesweiten Parteienproporz ergibt. Die Erststimmen dienen dazu, die Wahlkreissieger zu bestimmen - also die 299 Abgeordneten, die ein Direktmandat bekommen. Der Rest des Bundestags besteht aus Listen-Abgeordneten. Unterschiedlichen Wert haben die unterschiedlichen Mandate nicht – beide sind das Ergebnis demokratischer Entscheidungen. Aber es ist doch immer wieder interessant zu sehen, wer denn in welchem Wahlkreis gewinnt. Und selbst auf den Plätzen kann es interessant werden. Spannend ist auch immer wieder, wer denn in den Parteien die »Abräumer« bei den Erststimmen sind – die Wahlkreiskönige und Wahlkreisköniginnen. Bei der Union sind das natürlich meist die oberbayerischen CSU-Kandidaten. In der SPD sind es nach wie vor Kandidaten in den klassischen Hochburgen im Ruhrgebiet, ganz oben im Nordwesten oder in Hamburg. Bei den Linken sind es die Ost-Berliner Wahlkreiskandidaten und bei den Grünen hinter dem einzigen Direktmandat in Berlin vor allem baden-württembergische Abgeordnete. Die AfD dürfte im Osten stärker sein als im Westen. Selbst die FDP hatte immer Wahlkreise, in denen sie bei den Erststimmen deutlich über ihrem Gesamtprozentergebnis lag.
An den Direktmandaten hängt auch die Gesamtzahl der Abgeordneten. Denn stellt eine Partei mehr Wahlkreissieger als ihr nach dem bundesweiten Parteienproporz insgesamt an Sitzen zusteht, wird über Ausgleichsmandate dafür gesorgt, dass diese Partei keinen Vorteil dadurch hat. Bei der Wahl im September können angesichts der Dominanz der Union und der Schwäche der SPD in den Wahlkreisen Überhangmandate erwartet werden. Das künftige Parlament könnte über die 598 Mindestmandate hinaus noch einige Dutzend mehr Abgeordnete haben. Die Größe des Parlaments schwankt also. Schon der vorige Bundestag hat daher eine Wahlrechtsreform erwogen, um den unkalkulierbaren Zuwachs zu begrenzen oder zu vermeiden. Doch die Fraktionen konnten sich nicht einigen. Im Herbst wird die Debatte weitergehen. Eine Möglichkeit ist, die Zahl der Wahlkreise deutlich zu verringern.
Was sagt die Karte über den kommenden Bundestag aus?
Auch wenn Direktmandat und Listenmandat die gleiche demokratische Qualität haben, gibt es doch eine Entwicklung, die Folgen haben kann. CDU und CSU stellen nämlich seit der Wahl 2005, als sich die 299 Direktmandate noch ungefähr je zur Hälfte auf Union und SPD verteilten, immer mehr Wahlkreissieger. 2009 waren es schon 218 Direktmandate für die Union, vor vier Jahren waren es dann sogar 236 Wahlkreissieger. Und bei der Wahl im September könnten es mehr als 250 werden. Das hat natürlich Auswirkungen – auf das Parteileben, auf die Parlamentskultur und auch auf die Wahlrechtsdebatte. Es ist so: Im Bundestag sitzt von Oktober an eine Direktmandatsfraktion (Union) absehbar fünf Listenmandatsfraktionen (SPD, Linke, FDP, Grüne und AfD) gegenüber. Bei der SPD wird nur noch ein Viertel, maximal ein Drittel der Abgeordneten Wahlkreissieger sein.
Am Ende werden also neben 299 direkt gewählten Wahlkreissiegern einige Dutzend mehr Listenabgeordnete sitzen. Zwar gibt es keinen Unterschied im Mandat – aber natürlich hat die Mehrheitswahlkomponente doch eine gewisse Wirkung. Das Direktmandat ist nicht besser als das Listenmandat, aber die Parteien messen daran durchaus ihren Erfolg. So baut die Union ihren Anspruch, die strukturell dominierende Kraft im Parteiensystem zu sein, auch auf ihre Stärke bei den Direktmandaten. Umgekehrt lässt sich die Schwäche der SPD auch aus ihrem Unvermögen erklären, in den Wahlkreisen stärker aufzutreten. Und die Linken und Grünen sind stolz, wenn sie direkt gewählte Abgeordnete stellen. Insofern ergibt ein Überblick über die Wahl in den Kreisen ein recht gutes Bild der aktuellen Stimmung in der Republik.
Wie sicher ist unsere Hochrechnung?
Da der In-or-Out-Faktor auf einer jeweils ungewichteten aktuellen Umfrage eines Institutes beruht, ist er als Momentaufnahme zu verstehen. Er trifft also eine Annahme darüber, wer in welchem Wahlkreis gewinnen würde, wenn heute Bundestagswahlen wären. Wir glauben jedoch mit dem oben beschriebenen Modell die Erfolgswahrscheinlichkeit hochrechnen zu können, wie sicher oder unsicher der Wahlsieg des aktuell führenden Kandidierenden in seinem Wahlkreis am 24. September ist.
Welche Daten liegen dem Modell zugrunde?
Dem In-or-Out-Faktor liegen Erst- und Zweitstimmen-Ergebnisse der Bundestagswahlen von 1998 bis 2013 zugrunde. Der Bundeswahlleiter bietet für jede Bundestagswahl eine CD mit allen Ergebnissen auf Wahlbezirksebene zum Kauf an. Wahlbezirke sind die kleinste räumliche Einheit, auf der Wahlergebnisse aggregiert werden. Jeder Wahlbezirk hat ein Wahllokal. Wir haben alle CDs für die Wahlen seit 1990 erworben und für unsere Zwecke aufbereitet. Aus diesen Daten wollen wir in den kommenden Wochen weitere Geschichten erzählen. Im Anschluss und im Nachgang zur Bundestagswahl möchten wir Auszüge des vollständigen Datensatzes veröffentlichen.
Welches mathematische Grundmodell nutzen wir?
Der In-or-Out-Faktor liefert eine Hochrechnung der relativen Abstände zwischen den Kandidierenden auf die Gesamtheit aller 299 Wahlkreise. Grundlage des In-or-Out-Faktors ist dabei der Quotient aus Wahlergebnissen der Erststimmen und Bundesergebnis der Zweitstimmen nach Partei. Der historische Vergleich der Bundestagswahlen von 1998 bis 2013 für alle Wahlkreise zeigt, dass sich diese Quotienten ganz ähnlich entwickeln. Deshalb treffen wir die Annahme, dass man von den Verhältnissen aus dem Wahljahr 2013 auf die von 2017 schließen kann.
Auf Basis von aktuellen bundesweiten Sonntagsfragen und den gültigen Zweitstimmen-Ergebnissen der Parteien von 2013 berechnen wir ein Zweitstimmenergebnis für den Bund und legen dies mithilfe der jeweiligen Quotienten auf die Wahlkreise und die jeweiligen Kandidierenden um. Damit erhalten wir die maßgeblichen relativen Erststimmen-Abstände zwischen dem Erst- und dem Zweitplatzierten eines Wahlkreises: den In-or-Out-Faktor. Hierbei haben wir auch einen sogenannten »Amtsbonus« berücksichtigt.
Warum berücksichtigen wir einen Amtsbonus?
Wir gehen davon aus, dass die Parteizugehörigkeit eines Direktkandidaten oft hinreichend für die Erststimmen-Abgabe der Wählerinnen und Wähler ist. Dennoch ist auch davon auszugehen, dass die regionale Präsenz oder Verankerung der Kandidierenden einen Einfluss hat (Ein Beispiel). So berücksichtigen wir in unserem In-or-Out-Faktor, ob ein Kandidat bereits 2009 und/oder 2013 ein Direktmandat errungen hat: den Amtsbonus. Um ein unverfälschtes Ergebnis zu bekommen rechnen wir aus den Erststimmen-Ergebnissen von 2013 den Amtsbonus heraus. Für die Hochrechnung bekommt jeder Amtsinhaber einen Amtsbonus dazu.
Wie gehen wir mit den Veränderungen von Wahlkreiszuschnitten um?
Im Vergleich zwischen den Bundestagswahlen 2013 und 2017 haben sich die Zuschnitte für 34 Wahlkreise verändert. Um die dadurch auftretenden Unterschiede auszugleichen, basiert der In-or-Out-Faktor auf den Wahlergebnissen auf Gemeindeniveau. Da sich aber auch die Gemeinden durch Gebiets-und Kreisreformen verändert haben, wurden die Wahlergebnisse auf die Gemeindegrenzen vom 1. Januar 2017 umgerechnet. Jede dieser Gemeinden ist einem Wahlkreis für die Bundestagswahl 2017 zugeordnet. In mehreren Großstädten gibt es mehr als einen Wahlkreis. Hier haben wir die Vergleichbarkeit manuell nachvollzogen. Durch dieses Vorgehen können wir prüfen, wie die Gemeinden, die 2017 in einem Wahlkreis zusammengefasst sind, bei früheren Bundestagswahlen abgestimmt haben.
Was ist mit der Wahlbeteiligung?
Wir sind der Auffassung, dass bei der anstehenden Bundestagswahl, wie schon bei den letzten Landtagswahlen, mit einer höheren Wahlbeteiligung zu rechnen ist. Unser Modell stützt sich auf Annahme, dass die Wahlbeteiligung im Bund und in den Ländern im relativen Verhältnis zueinander konstant bleibt, berücksichtigt aber, dass es in den Wahlkreisen unterschiedliche Wahlbeteiligungen gibt.