Angesichts des deutlichen Vorsprungs der Union in der Sonntagsfrage aller Institute scheint das Rennen um den Wahlsieg am 24. September fast schon entschieden. Spannend ist jetzt vor allem, welche Partei hinter Union und SPD drittstärkste Kraft im Bundestag wird. Linke, Grüne, FDP und AfD liefern sich seit Monaten ein Kopf-an-Kopf-Rennen in den Umfragen.
Wie aber haben sich die kleineren Parteien in früheren Wahlen geschlagen – hinter CDU, CSU und SPD? Und nicht selten sogar vor den Großen? Wie haben sie hier auf Gemeindeebene abgeschnitten? Um das zu zeigen, haben wir für die über 11 000 Gemeinden in Deutschland (Stand 1. Januar 2017) die Zweitstimmenergebnisse inklusive der Briefwahlstimmen aufbereitet. Dabei wurde auch die »Wählerdichte« der einzelnen Gemeinden für jede Bundestagswahl berechnet. Sie gibt das Verhältnis der gültigen abgegebenen Stimmen zur jeweiligen Gemeindefläche an. Beide Informationen haben wir in einer interaktiven Karte für Sie zusammengeführt: Zum einen gibt diese Karte die Plätze für jede einzelne Gemeinde wider. Zum anderen wird der Anteil dargestellt, den das jeweilige Gemeindeergebnis in absoluten Stimmen am Bundesergebnis hatte.
Was bedeuten die verschiedenen Farben?
Wir haben jeder Partei eine naheliegende Farbe zugeordnet: CDU/CSU (Union) Schwarz, SPD Rot, der Linken Lila, den Grünen Grün, der FDP Gelb und der AfD Blau. Rechtsextreme Parteien, wie z. B. NPD, REP, DVU oder auch Pro Deutschland, haben wir zusammengefasst und ihnen die Farbe Braun zugewiesen. Weitere Parteien, z. B. die Ökologisch-Demokratische Partei in Bayern, haben wir aus Gründen der Komplexitätsreduktion als »Sonstige Parteien« zusammengefasst. Um diese trennscharf auf den Karten abbilden zu können, haben wir für sie eine Sonderfarbe gewählt (Minz-Grün-Grau). Bei Flächen die weiß gekennzeichnet sind handelt es sich um sogenannte »gemeindefreie Gebiete«. Diese sind meist große Wälder oder auch Seen. Hier leben nur sehr wenige oder keine Menschen. Deshalb werden ihre Wahlstimmen zu den bewohnten Nachbargemeinden hinzugezählt.
Was bedeuten die verschiedenen Helligkeitsstufen?
Großflächige aber dünn besiedelte Gemeinden sind in der Parteifarbe etwas heller dargestellt. So wird, um einmal von der üblichen Darstellung der Prozentergebnisse abzuweichen, die Verteilung der absoluten Stimmenzahl im Ergebnis einer Partei räumlich hervorgehoben. Die Helligkeitsstufen der Gemeinden zeigen die Wählerdichte. Je mehr Menschen pro km² in einer Gemeinde gewählt haben, desto stärker färben wir die Gemeinde in der Parteifarbe ein. Ein ungewöhnlicher Schritt, der aber die Karten auch ein wenig übersichtlicher macht.
Ein Beispiel: Im Jahr 2005 wählten sowohl in Berlin als auch in der Hansestadt Gardelegen knapp über 30 Prozent der Wählerinnen und Wähler die SPD.
Diese knapp über 30 Prozent in Berlin entsprachen in absoluten Zahlen etwa 640 000 Stimmen für die SPD. In der Hansestadt Gardelegen entspricht dieser Prozentsatz nur etwa 4900 Stimmen für die SPD. Gleichzeitig ist Gardelegen, gemessen an der Fläche, die drittgrößte Stadt Deutschlands. Deshalb färben wir Gardelegen weniger stark rot ein als Berlin.
Es gibt Fehler oder Sie wollen uns von ihren Entdeckungen berichten?
Wenn Sie Fehler entdecken, Nachfragen zu den verwendeten Daten oder Modellen haben oder gar eigene spannende lokale Geschichten in unseren Karten entdeckt haben, melden Sie sich gerne bei uns unter wahl@tagesspiegel.de.
Woher kommen die Daten?
Der Bundeswahlleiter bietet für jede Bundestagswahl eine CD mit allen Ergebnissen auf Wahlbezirksebene zum Kauf an. Wahlbezirke sind die kleinste räumliche Einheit, auf der Wahlergebnisse aggregiert werden. Jeder Wahlbezirk hat ein Wahllokal. Wir haben alle CDs für die Wahlen seit 1990 erworben und für unsere Zwecke aufbereitet. Aus diesen Daten wollen wir in den kommenden Wochen weitere Geschichten erzählen. Im Anschluss und im Nachgang zur Bundestagswahl möchten wir Auszüge des vollständigen Datensatzes veröffentlichen.
Weitere verwendete Daten:
- Verwaltungsgebietsgrenzen, GeoBasis-DE/BKG 2017
- Gemeindeumschätzungtabelle, Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)
- Kartenhintergrund basiert auf CARTO und OpenStreetMap contributors
- Gemeinde A: 25 · 50/500
- Gemeinde B: 25 · 150/500
- Gemeinde C: 25 · 300/500
Wie sind wir vorgegangen?
Viele Gemeinden in Deutschland haben sich seit 1990 flächenmäßig mehrfach verändert. Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) hat eine Zuordnungstabelle angefertigt, in der die Veränderungen anhand eines Umsteige-Schlüssels abgebildet werden. Meist sind dies Zusammenlegungen mehrerer Gemeinden zu einer größeren Gemeinde. Diese Zusammenlegungen sind für eine Analyse der Wahlergebnisse unerheblich, da die jeweiligen absoluten Stimmen der einzelnen Gemeinden einfach aufaddiert werden. Lediglich bei 0,2 Prozent der Gemeinden aus dem Datensatz des Bundeswahlleiters kam es zu Aufspaltungen einer Gemeinde in zwei oder mehrere neue Gemeinden. In diesen Fällen haben wir die Wahlergebnisse gemäß Umsteige-Schlüssel des BBSR umgerechnet.
Warum wir auch die Briefwahlstimmen berücksichtigen?
Im Datensatz des Bundeswahlleiters sind Briefwahlstimmen in der Regel als eigene Wahlbezirke aufgeführt. Eine größere Stadt kann mehrere Briefwahlbezirke haben. Umgekehrt wurden die Briefwahlstimmen für viele kleinere Gemeinden in einem Wahlbezirk zusammengefasst. Also können Briefwahlstimmen nicht immer einer einzelnen Gemeinde zweifelsfrei zugeordnet werden. Ein möglicher Umgang mit diesem Umstand wäre, die Briefwahlstimmen zu ignorieren und jegliche Auswertungen und Grafiken allein auf die Wahlstimmen an der Urne zu stützen.
Jedoch nahm der Anteil von Briefwählerinnen und Briefwählern bei den vergangenen Bundestagswahlen stetig zu. 2013 lag ihr Anteil bei knapp 25 Prozent der abgegebenen Stimmen. Ebenso ist bekannt, dass es Unterschiede im Stimmverhalten von Brief- und Urnenwählern gibt (mehr Informationen u. a. hier). Für uns sind diese Gründe ausschlaggebend, die Briefwahlstimmen in unsere Analyse zu integrieren. Deshalb haben wir nach einem Weg gesucht, sie möglichst verzerrungsfrei zu berücksichtigen.
Wie wurden Briefwahlstimmen berücksichtigt?
Wir haben jeden Briefwahlbezirk einer möglichst kleinen Gruppe von Gemeinden eindeutig zugeordnet. Anschließend haben wir die absoluten Stimmen des Briefwahlbezirks auf die jeweiligen »Ziel«-Gemeinden umgelegt, und zwar anteilig zur Anzahl der Wahlberechtigten der jeweiligen »Ziel«-Gemeinden.
Ein Beispiel: Der Briefwahlbezirk 1 hat 25 gültige Stimmen und beschreibt einen Gemeindeverband von drei »Ziel«-Gemeinden. Gemeinde A hat 50 Wahlberechtigte, B 150 und C 300 Wahlberechtigte. So erhält
Dieses Vorgehen hat zwei Konsequenzen: Zum einen wird so unterstellt, dass das Stimmverhalten der Briefwählerinnen und Briefwähler in den »Ziel«-Gemeinden gleich sei. Dies ist nicht der Fall. So könnte Gemeinde A mehr Briefwahlstimmen für eine bestimmte Partei haben als Gemeinde B. Wir halten diese Verzerrung so gering wie möglich, indem wir die Anzahl der »Ziel«-Gemeinden möglichst klein halten.
Zum anderen kann der Anteil an Briefwahlstimmen zwischen den »Ziel«-Gemeinden variieren. So könnte Gemeinde A generell mehr Briefwahlstimmen als Gemeinde B haben. Diese Varianz kann aus den Daten nicht rekonstruiert werden. So kommt es bei 0,6 Prozent der Gemeinden in unserem Datensatz vor, dass eine Gemeinde nach der Umlegung der Briefwahlbezirke mehr gültige Stimmen als Wahlberechtigte hat (im Schnitt 1,5 absolute Stimmen). Deshalb können Aussagen zur Wahlbeteiligung auf Gemeindeebene stets nur auf Basis der Urnenwahlstimmen erfolgen.