Mit Konrad Adenauers Wahlsieg 1953 begann die »Kanzlerdemokratie« – seither geht es in allen Wahlen in der Bundesrepublik nicht zuletzt um die Frage: Wer wird Regierungschef? Der Wirtschaftsboom bescherte der Union einen deutlichen Erfolg.
1953 Hoch Konrad
Die Wetterlage am 6. September 1953 war eindeutig: Über der jungen Bundesrepublik lag in jener Spätsommerwoche das Hoch Konrad. Bundeskanzler Adenauer war der klare Sieger der zweiten Bundestagswahl. Er etablierte die Dominanz der Union im Parteiengefüge, die – außer 1972, 1998 und sehr knapp 2002 – immer stärkste Kraft gewesen ist. Adenauer hatte die Westdeutschen mit seiner Politik der Westbindung und der Marktwirtschaft überzeugen können. Es begann die »Kanzlerdemokratie«, Adenauer wusste die im Vergleich zur Weimarer Republik recht starke Rolle des Regierungschefs zu nutzen. Aber am »Alten von Rhöndorf« allein lag es nicht: Es war der vom Korea-Krieg seit 1950 ausgelöste Wirtschaftsboom, der die Union gewinnen ließ. Denn den Westdeutschen ging es wirtschaftlich wieder deutlich besser, die unmittelbare Nachkriegszeit war vorbei, die Stimmung des »Wir sind wieder wer« breitete sich aus und wurde durch den Sieg bei der Fußball-WM im Jahr darauf noch verstärkt. Viele führten die gute Lage auch auf die Politik der sozialen Marktwirtschaft zurück – jedenfalls war sie von nun an ein Wahlkampf-Dauerbrenner der Union. Den darauf bauenden Wohlstandsnationalismus pflegt sie bis heute. Die seit der Niederlage von 1949 schwer angeschlagene SPD hatte sich für ein Kontrastprogramm bei der Besetzung der Spitzenkandidatenposition entschieden: Auf den scharfzüngigen Polarisierer Kurt Schumacher, der 1952 gestorben war, folgte der eher weiche, farblose Erich Ollenhauer. Hoch Konrad sollte noch sehr lange über dem Land liegen.
Das verbrannte Hitlerbild
Helmut Anders erzählt von seiner ersten Wahl
Ich heiße Helmut Anders und bin 1931 in Wolfenbüttel im heutigen Niedersachsen geboren. Für mich war die Wahl 1953 sehr wichtig, da ich ja bis zu meinem 13. Lebensjahr unter ganz anderen Umständen groß geworden bin. Ich möchte die Nazizeit vielleicht erwähnen.
Dieses Erlebnis in Freiheit zu leben, dass alles neu organisiert wird, das war für mich etwas ganz Besonderes. Hitler wurde uns jungen Menschen stark eingeprägt. Als dann 1945 die Amerikaner bei uns einmarschierten und wir – insbesondere mein Bruder – die Wohnung von Naziliteratur bereinigten, habe ich ganz heimlich ein Hitlerbild versteckt. Und als dann die Berichte über die KZs bekannt wurden, da habe ich im August 1945, als sogenannte »Große Wäsche« war, dieses Bild im Wäscheheizkessel symbolisch verbrannt. Und das war sicherlich der Ausgangspunkt, diese Wahl vollziehen zu können.
Wahlthemen im Einzelnen waren sicherlich der Wiederaufbau, die Flüchtlingsfrage, die Integration, die Wohnungsnot. Es waren viele Flüchtlinge noch untergebracht. Wir hatten auch in unserer – aus heutiger Sicht – kleinen Wohnung einen Flüchtling einquartiert bekommen. Die Teilung Deutschlands und die Frage der Wiedervereinigung spielten auch eine Rolle.
Was ich am meisten in Erinnerung habe, waren die Großveranstaltungen im Lessingtheater in Wolfenbüttel, wo die Funktionäre der Parteien große Auftritte hatten. Das Theater war mit 600 bis 700 Leuten immer voll besetzt. Nach Ende der Veranstaltungen bildeten sich immer große Diskussionsgruppen, wo die Leute noch einmal ihre unterschiedlichen Meinungen äußerten, entweder über die Redner oder die politische Situation insgesamt. Aber immer ohne irgendwelche Zusammenstöße. Das ging alles sehr friedlich ab.
Ich habe 1953 die SPD gewählt. Maßgebend war eigentlich, dass die führenden SPD-Leute die Nazizeit gut überstanden haben und mich überzeugten, dass sie für die aufblühende neue Demokratie die Richtigen sind.
Plakate im Wahlkampf 1953
Titelseite des Tagesspiegel nach der Wahl
8. September 1953