1965 wurde Ludwig Erhard (CDU), von vielen als »Vater des Wirtschaftswunders« verehrt, als Bundeskanzler bestätigt. Ein Jahr später aber wurde er von seiner Partei gestürzt, die Regierung der CDU/CSU mit der FDP zerbrach. Es begann die Große Koalition von Union und SPD – ohne Neuwahlen.
1965 Wahl im Übergang
Die Wahl am 19. September 1965 war eine Zäsur in der Geschichte der Bundesrepublik. Erstmals trat Konrad Adenauer nicht mehr an, er hatte 1963 zugunsten von Ludwig Erhard »abgedankt«. Doch trug die Popularität des jovialen »Wirtschaftswundermachers«, der sich gern als Zigarre schmauchender Gemütsmensch darstellte, nicht weit genug, um der Union einen klaren Wahlsieg zu bescheren. Für die SPD trat Willy Brandt, nun auch Parteichef, wieder als Kanzlerkandidat an und führte die Partei erstmals in die Nähe regierungsfähiger Stärke. Doch für die rechnerisch mögliche Koalition mit der FDP war die Zeit noch nicht reif, die Mehrheit wäre auch zu knapp gewesen. So regierte Schwarz-Gelb weiter, mit Hängen und Würgen und einem Kanzler Erhard, der in den eigenen Reihen rapide an Rückhalt verlor. Die CDU war nach sechzehn Jahren regierungsmüde und in sich uneins. Für Aufbruch stand dagegen Brandts SPD, innenpolitisch, wirtschaftspolitisch, außenpolitisch. Auch kulturell, Brandt umgab sich im Wahlkampf mit Schriftstellern und Künstlern. Die Stunde der Partei kam schneller als gedacht: Die schwarz-gelbe Koalition zerbrach am Streit um die richtige Reaktion auf die Wachstumsdelle von 1966. Union und SPD bildeten im Bundestag die Große Koalition, ohne vorherige Neuwahl. Kanzler wurde Kurt-Georg Kiesinger, zuvor Ministerpräsident in Baden-Württemberg. Die führenden Sozialdemokraten – Brandt, Herbert Wehner und Helmut Schmidt – waren der Meinung, dass sich die Sozialdemokratie in einer Koalition mit der Union gegen diese profilieren sollte – als der bessere Teil der Regierung. Das Kalkül sollte aufgehen.
SPD-Land Hessen
Werner Göbel erzählt von seiner ersten Wahl
Mein Name ist Werner Göbel, ich komme aus Karben und habe 1965 das erste Mal gewählt.
Am 25. September 1965 haben wir geheiratet. Das war eine Woche nach der Bundestagswahl.
Hessen war von der SPD regiert, da hat die CDU gar keine Rolle gespielt. Und es hätte mich als jungen Menschen auch nichts dazu gebracht, in die CDU einzutreten. Das waren auch alles irgendwie eigenartige Figuren, muss ich sagen. 1963 bin ich in die SPD eingetreten. Da waren Kommunalwahlen und dann war ich in Klein-Karben auch im Gemeindeparlament.
Der Willy Brandt war Kanzlerkandidat, nämlich 1961, 1965 und 1969. Er hat mir schon imponiert. Er hat auch mal bei uns in Klein-Karben eine Rede gehalten. Da wurde auf dem Marktplatz ein Zelt aufgestellt und dann kam der Willy Brandt dahin.
Ich gehe an den gleichen Ort wählen wie die ganzen Jahre zuvor. Einige sitzen da ewig hinter diesem Verschlag, wo man sein Kreuzchen macht. Bei mir ist das eine Sekundensache. Ich gehe hin, nehme einen Zettel und mache mein Kreuz. Andere sitzen manchmal minutenlang, bis sie sich entschieden haben. Es muss doch vorher klar sein, was ich wähle, denke ich.
Zur Bundestagswahl wähle ich SPD, das ist ganz klar, und hoffe, dass die Merkel mal einen Dämpfer abkriegt.
Plakate im Wahlkampf 1965
Titelseite des Tagesspiegel nach der Wahl
21. September 1965