Konrad Adenauer führte die Union 1957 zur absoluten Mehrheit. Vor allem wegen der Rentenreform, die kurz vor der Wahl beschlossen worden war und die Älteren stark begünstigte. In der SPD führte die dritte Niederlage zu einem Umdenken – mit dem Godesberger Programm wurde sie zur linken Volkspartei.
1957 Der gekaufte Sieg
Die Bundestagswahl vom 15. September 1957 war Konrad Adenauers großer Triumph. »Keine Experimente« – so lautete der Slogan der Union, und das zog im Wirtschafswunderland. Der 81-jährige Kanzler holte für die CDU/CSU sogar die absolute Mehrheit der Stimmen. Es war aber nicht allein die Person des Kanzlers, dem man sein Alter schon anmerkte, und der die jüngere Generation kaum noch erreichte, in der sich langsam ein Unbehagen an der selbstgefällig werdenden Nierentisch-Demokratie zu regen begann. Nein, die Regierung hatte begonnen, den wirtschaftlichen Erfolg auszuschütten. Der Bundesrepublik ging es prächtig. Die Überschüsse im Haushalt wuchsen. Jetzt wurde das Füllhorn geöffnet – es wurden Steuersenkungen, Subventionen, Sozialleistungen beschlossen (»Wohlstand für alle« lautete einer der Wahlkampfsprüche der Union). Kernstück war die große Rentenreform, mit der die Umlagefinanzierung eingeführt wurde. Mit der Reform stiegen die Renten um durchschnittlich 60 Prozent. Es war ein gekaufter Wahlsieg. Die SPD hatte sich – abermals angeführt vom Parteisoldaten Erich Ollenhauer – zwar leicht verbessert. Aber sie musste erkennen, dass sie sich für Wähler außerhalb der Arbeiterschaft stärker öffnen musste, um Siegchancen zu haben. Die programmatische Erneuerung gipfelte im Godesberger Programm von 1959. Und das neue Gesicht für die neue Kanzlerdemokratie, den geeigneten Konkurrenten für den Patriarchen am Rhein, fand sie bald in Berlin – wo ebenfalls 1957 Willy Brandt Regierender Bürgermeister wurde.
Vergangenheitspartei
Ursula Krupp erzählt von ihrer ersten Wahl
Ich heiße Ursula Krupp und bin in Zweibrücken in der Pfalz geboren.
Ich habe 1957 das erste Mal gewählt, eigentlich ohne zu wissen, was ich wähle. Ich habe einfach gewählt. Ich weiß nur, dass ich eine nationalsozialistisch angehauchte Partei gewählt habe, in Erinnerung an Positives aus der Vergangenheit. Es war natürlich albern, aber ich hatte von dem, was im Dritten Reich geschehen ist, zu dem Zeitpunkt keine Ahnung. Das war für mich ein einmaliger Fall und ich habe mir auch nie Gedanken darüber gemacht. Über Politik wurde nie geredet, mit niemandem. Nicht aus irgendeinem Grund, sondern weil sich einfach keiner dafür interessiert hat.
Natürlich musste Deutschland wieder aufgebaut werden. Es war nichts mehr vorhanden und man hat noch im ersten Jahr nach der Währungsreform alles auf Lebensmittelmarken bekommen. Dann, so allmählich, wurde das ein oder andere frei, aber es gab kein Geld für den Normalbürger. Es gab eine große Arbeitslosigkeit, auch zu Beginn der Fünfzigerjahre. Als dann immer mehr Menschen Arbeit bekommen haben, kam dieses Wirtschaftswunder. Dann ging es aber kräftig nach oben.
Nach meinem ersten etwas naiven Versuch, eine Vergangenheitspartei zu wählen, habe ich dann, nachdem ich meinen Mann kennenlernte, zwar zuerst noch ein einziges Mal DFU gewählt, die Deutsche Friedens-Union. Die gibt es auch nicht mehr. Das war ein Mal, danach haben wir nur SPD gewählt.
Bei den heutigen Parteien hat man einfach nicht mehr das Gefühl, vertreten zu sein. Trotzdem gehe ich wählen, denn wenn ich nicht wähle, wähle ich auch. Dann wähle ich das Verkehrte und deswegen ist es für mich ganz wichtig, immer zur Wahl zu gehen.
Dass die AfD Zuspruch bekommt, kann nur darauf zurückzuführen sein, dass die von der ganzen Realität der damaligen Zeit keine Ahnung haben.
Plakate im Wahlkampf 1957
Titelseite des Tagesspiegel nach der Wahl
17. September 1957