Die Bundestagswahl von 1987 fand bei winterlichem Schmuddelwetter statt. Das passte: Trotz einiger Affären und Skandale und einer eher mauen Regierungsbilanz rettete sich die schwarz-gelbe Regierung unter Bundeskanzler Helmut Kohl in eine zweite Amtszeit.
1987 Der Pannenkanzler rettet sich
Die schwarz-gelbe Koalition, die 1982 ans Ruder gekommen war, hatte eine bequeme Mehrheit im Bundestag. Bundeskanzler Helmut Kohl verstand es jedoch nicht, sein grandioses Wahlergebnis vom März 1983 in einen starken Regierungsauftritt umzusetzen. Keiner der Kanzler seit 1949 hat so wenig brilliert wie der einstige pfälzische Ministerpräsident in seiner ersten Amtszeit, die von Pannen, Affären und Skandalen geprägt war. Da war die Kießling-Affäre (ein Bundeswehr-General wurde allein wegen des Gerüchts, er sei homosexuell, entlassen), die Flick-Affäre (es ging um die »Pflege der politischen Landschaft« durch Spenden, also Korruption), die misslungene Geste von Bitburg (Kohl traf sich mit US-Präsident Ronald Reagan zu einer Versöhnungsgeste auf einem Soldatenfriedhof, auf dem auch Mitglieder der Waffen-SS bestattet waren). Dass er durchaus Erfolge präsentieren konnte – bei der Haushaltskonsolidierung etwa oder in der Europapolitik –, wurde dadurch verdeckt. Im Parteispendenskandal, in den auch Kohl verwickelt war, wäre seine Kanzlerschaft 1986 fast ruhmlos untergegangen, aber er konnte sich retten. Angeschlagen stolperte Kohl in die Bundestagswahl am 25. Januar 1987 (Schneeregen herrschte quer durch die Republik). Sein Herausforderer von der SPD war Johannes Rau, als nordrhein-westfälischer Ministerpräsident beliebt und erfolgreich. Aber bundesweit zog das nicht, zumal viele junge Wähler nun statt den Sozialdemokraten die Grünen wählten. Kohls Union schwächelte, dafür war die FDP stärker – Schwarz-Gelb konnte weitermachen.
Gegen die Eltern
Christian Vorwerk erzählt von seiner ersten Wahl
Ich heiße Christian Vorwerk, bin 1966 geboren und habe zum ersten Mal 1987 in Gütersloh gewählt. Das war eine rote Insel, umgeben von pechschwarzer CDU, ein wirklich stockkonservatives Dorf zu Kleinstadt.
Ich habe darauf bestanden, dass ich alleine wähle, denn mit meinen Eltern hatte ich politisch überhaupt nichts gemeinsam. Die erste Wahl war eigentlich zu spät, denn ich war da schon 21. Hätte ich direkt an meinem 18. Geburtstag wählen können, wäre das vermutlich eindringlicher gewesen.
Ich könnte mich an keinen einzigen Wahlwerbespot erinnern. Gesehen habe ich sie wahrscheinlich irgendwo, aber wirklich interessiert haben sie mich nicht. Und auch die ganzen Wahlplakate hätten genauso gut jede andere Reklame sein können. Zu Demonstrationen bin ich nie gegangen. Dazu war man zu kleinstädtisch, das war zu viel Aufregung.
Zur politischen Situation heute würde ich sagen, dass die Charaktere fehlen. Von Kohl konnte man halten, was man wollte – ich mag ihn bis heute nicht –, aber er war ein Charakterkopf. Schmidt, Wehner … das waren Charakterköpfe, die auch einen sehr dezidierten Duktus hatten. Wenn man sich heutzutage Gabriel, Merkel oder wen auch immer anguckt, ist alles irgendwie glatt gebügelt. Gerade in den letzten Merkel-Jahren wurde die Politik immer mehr zu einem großen Einheitsbrei. Und selbst die Grünen haben ihren Charme verloren. Das ist nicht mehr diese reine Protestbewegung, sondern, na ja …
Es gab kurzzeitig mal etwas, wo ich gesagt hätte: »oh, bitte lass etwas daraus werden!«, das war die Piratenpartei. Die waren so, wie die Grünen mal waren.
Ich stehe heute wirklich vor dem Problem, dass ich nicht wüsste, was ich wählen sollte. Und ich überlege ernsthaft, ob ich einen für mich radikalen Tabubruch begehe und tatsächlich mal nicht wähle.
Plakate im Wahlkampf 1987
Titelseite des Tagesspiegel nach der Wahl
27. Januar 1987