Helmut Kohl stürzt im Herbst 1982 Kanzler Helmut Schmidt mit einem konstruktiven Misstrauensvotum im Bundestag. Aber die neue schwarz-gelbe Koalition will Kohl sich vom Volk bestätigen lassen – ein riskantes Manöver, vor allem für die FDP. Doch das Kalkül des neuen Kanzlers geht auf.
1983 Die Wende
Helmut Schmidt war seit dem Wahlsieg 1980 ein Kanzler auf Abruf – durch die eigene Partei. In der SPD vertieften sich die Risse, weil ein Teil der Sozialdemokraten in der Außenpolitik (Nato-Nachrüstung) und der Energiepolitik (Kernkraft) die atlantische und atomfreundliche Linie Schmidts nicht mehr mittragen wollte. Es war nicht zuletzt der spätere Kanzlerkandidat Oskar Lafontaine, der die SPD auf einen neuen Kurs bringen wollte, auch wegen der aufkommenden Grünen, und dabei Willy Brandt hinter sich wusste (der Schmidt in Abneigung verbunden war). In der FDP dagegen nahm der Einfluss des wirtschaftsliberalen Flügels um Otto Graf Lambsdorff zu. Parteichef Hans-Dietrich Genscher hatte schon länger die Fühler Richtung Union ausgestreckt. Das Ende der Koalition mit der SPD kam am 17. September, als die vier FDP-Minister um ihre Entlassung baten. Zwei Wochen später wurde Schmidt über ein konstruktives Misstrauensvotum gestürzt, das Helmut Kohl zum Kanzler machte. Kohl wollte den Machtwechsel durch eine vorgezogene Neuwahl am 6. März 1983 legitimieren, obwohl das keineswegs nötig war – das Parlament hatte ja eine funktionsfähige Regierung bestimmt. Die Auflösung des Bundestags erfolgte über eine »unecht verlorene« Vertrauensfrage, was Bundespräsident Karl Carstens nolens volens absegnete. Das durchaus gewagte Spiel von Kohl und Genscher – angesichts des Koalitionswechsels der FDP, die deswegen einige bekannte Sozialliberale verlor – ging auf: Die Union holte das zweitbeste Ergebnis ihrer Geschichte, die FDP brach nicht massiv ein. Die SPD, in die Wahl geführt von Hans-Jochen Vogel, musste in die Opposition – für 15 Jahre. An die Regierung kam sie 1998 wieder in einer Koalition mit den Grünen, die 1983 erstmals in den Bundestag kamen. In der Zeit dazwischen regierte Schwarz-Gelb unter Kohl, der nach seiner Wahl zum Kanzler einerseits eine »geistig-moralische Wende« in der Innenpolitik ausrief, andererseits aber in der Außen- und Sicherheitspolitik an Schmidt anknüpfte.
Helmut Kohls erster Sieg
Armin Fuhrer erzählt von seiner ersten Wahl
Mein Name ist Armin Fuhrer. Ich bin 1963 geboren, durfte das erste Mal 1983 wählen. Und ich lebe inzwischen seit 23 Jahren in Berlin.
Ich war sehr früh politisiert, habe mich sehr früh für Politik interessiert, mit 15, 16 Jahren schon. Aber bis dahin war ich immer Zuschauer gewesen. Jetzt war ganz erpicht darauf, endlich auch wählen gehen und mitmachen zu dürfen. Und ich muss sagen, das war für mich schon ein besonderer Tag. Ich hatte es nicht sehr weit zu meinem Wahllokal, das ich zudem gut kannte, weil es mein Gymnasium war. Ich weiß noch sehr genau, dass wir am Vormittag mit meinen Eltern und meiner Schwester gemeinsam hingingen und wählten. Und ich glaube, wir haben sogar noch einen Spaziergang gemacht.
Es war schon eine sehr aufgeheizte Diskussion, es gab viele Großdemonstrationen. Zudem kamen zu der Zeit auch die Grünen auf, die ja dann auch 1983 das erste Mal in den Bundestag eingezogen sind. Aber 1983 wären die Grünen für mich schon nicht mehr wählbar gewesen, weil ich der Ansicht war, dass Helmut Schmidt Recht hatte mit dem Nato-Doppelbeschluss. Das war auch noch eine andere Zeit mit dem Ost-West-Konflikt, dem Kalten Krieg. Man fühlte sich in gewisser Weise schon bedroht, man hatte Angst vor der Atombombe.
Helmut Kohl war ein Mann, der die Leute polarisiert hat. Man war entweder gegen ihn oder für ihn. Das ist heute bei Angela Merkel irgendwie anders. Sie hat eine Zeit lang auch mal durch die Flüchtlingskrise viel Hass auf sich gezogen. Ich glaube, das hat sich inzwischen wieder gelegt. Viele Leute haben in Deutschland das Gefühl, es läuft: die Wirtschaft boomt, die Leute sind irgendwie zufrieden. Das macht träge.
Was ich wähle, habe ich noch nicht endgültig entschieden. Es gibt einige Parteien, die ich ausschließen kann. Das sind bei mir immer die Linke und die AfD. Mit den Grünen tue ich mich sehr schwer, hoffe aber trotzdem, egal was ich wähle, auf eine schwarz-grüne Bundesregierung.
Ich halte es für eminent wichtig, dass man heute wählen geht. Das hat ja nichts damit zu tun, dass man vielleicht die Parteien langweilig findet. Parteien sind auch nicht dazu da, die Leute zu entertainen. Man kann sich meiner Ansicht nach nicht von der Wahl enthalten uns sagen: »Heute ist aber schönes Wetter, da gehe ich lieber ins Strandbad«, und sich dann vier Jahre lang über die Politik echauffieren. Das gilt auch, wenn z. B. SPD-Anhänger sagen: »Der Schulz hat eh verloren, wir müssen gar nicht hingehen.« Das ist falsch. Man muss hingehen. Erstens wissen wir erst am Wahlabend, ob der Schulz tatsächlich verloren hat. Und zweitens ist das die Möglichkeit, alle vier Jahre bei der Bundestagswahl zu zeigen, was man gerne möchte.
Plakate im Wahlkampf 1983
Titelseite des Tagesspiegel nach der Wahl
8. März 1983