Es ist die Wahl mitten in der globalen Finanz- und Schuldenkrise. Die kleinen Oppositionsparteien profitieren von der schwarz-roten Großkoalition und sind so stark wie nie zuvor. Die SPD bricht tief ein, Angela Merkel dagegen kann sich mit der Union dank der FDP in eine zweite Amtszeit retten.
2009 Große Koalition der Verlierer
Die Bundestagswahl am 27. September 2009 hatte drei Sieger und zwei Verlierer. Es war die Wahl, in der die Opposition wie niemals zuvor zulegen konnte – und die Regierungsparteien einen Absturz erlebten, den es so auch noch nie gegeben hatte. Die zweite große Koalition in der Geschichte der Bundesrepublik (nach der von 1966) hatte sich im Herbst 2005 nolens volens zusammengefunden, weil andere Konstellationen nicht möglich waren. Sie hatte eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag. Die Bilanz am Wahlabend 2009: Union und SPD zusammen verzeichneten ein Minus von 15,6 Prozentpunkten. Vor allem die Sozialdemokraten mit ihrem Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier brachen ein – es war das schlechteste Ergebnis bei einer Bundestagswahl. Hatte das auch damit zu tun, dass Schwarz-Rot die Umsatzsteuer saftig um drei Punkte erhöht hatte? Im Wahlkampf 2005 hatte die SPD eine Erhöhung dieser Kleine-Leute-Steuer klar abgelehnt. Die CDU/CSU schaffte auch nur 33,8 Prozent, das zweitschlechteste Ergebnis seit 1949. Allerdings fand die Wahl auch zum Höhepunkt der weltweiten Finanzkrise statt – Bankenrettung, massiv höhere Staatsschulden, ein wackliger Euro erforderten ein Krisenmanagement, das Merkels gar nicht so schlecht gelang. Aber viele Wähler, im Herbst 2009 wohl auch »krisenmüde«, dankten es nicht. Es waren FDP, Linke und Grüne, die von der schwarz-roten Krisenpolitik profitierten. Die Freien Demokraten fuhren ein Rekordergebnis ein, auch dank der steuerpolitischen Forderung »mehr Netto vom Brutto«, was die Bildung der schwarz-gelben Koalition ermöglichte (und Westerwelles Traum vom Auswärtigen Amt). Auch die Linke, wieder angeführt von Oskar Lafontaine und Gregor Gysi, schnellte nach oben. Die Grünen mit Renate Künast und Jürgen Trittin an der Spitze schnitten trotz Zugewinnen als schlechteste der kleinen Bundestagsparteien ab.
Die Familie geht zusammen
Sophie Pornschlegel erzählt von ihrer ersten Wahl
Ich bin Sophie Pornschlegel, 27 Jahre alt und bin 1990 geboren. Ich habe zum ersten Mal 2009 in Metzhausen bei Freiburg gewählt. Ich wohne jetzt seit knapp vier Jahren in Berlin.
Ich war sehr aufgeregt am Anfang, weil ich damals Politikwissenschaft studiert habe. Deswegen war es für mich ein wichtiger Moment und als ich dann gewählt habe, war es relativ unspannend. Ich bin ins Wahllokal rein, es gab eine kleine Schlange, ich habe meinen Stimmzettel ausgefüllt und abgegeben. Dann war es vorbei.
Komischerweise glaube ich, dass ich 2009 kein Thema hatte, wofür ich mich einsetzen und wählen gehen wollte. Ich glaube, für mich war das was Allgemeines. Ich habe eine Partei gewählt.
Den Wahlkampf habe ich kaum mitverfolgt, weil ich nicht in Deutschland war. Ich war in einem anderen Land und es gibt leider keine richtige europäische Öffentlichkeit. Aber ich weiß noch, dass Angela Merkel die wichtigste Person war. Ich bin mit Merkel groß geworden und der Oppositionskandidat war Steinmeier. Aber der Wahlkampf wurde kaum mit Inhalten geführt. Es war sehr personengetrieben.
Ich glaube, ich habe jetzt eine ganz andere Sicht auf die Politik, weil ich jetzt etwas älter bin und in einem Bereich arbeite, der nah an der Politik ist. Ich glaube natürlich, dass Martin Schulz ein Kopf war, der jetzt nicht mehr da ist. Angela Merkel ist immer noch da. Ich glaube, sie ist der Dinosaurier in der politischen Landschaft. Oder der leader of the free world, wie der Economist so schön gesagt hat. Ich stimme ihm nicht zu, aber es ist schon traurig, wenn man so etwas sagen muss.
Ich glaube, die CDU hat es sehr gut geschafft, sich wirtschaftspolitisch aufzustellen und gleichzeitig konservative Werte zu haben. Ich glaube, genau das ist das Problem der SPD: sie hat es nicht geschafft, ihre Wähler anzusprechen, denn Ihre Wählerschaft existiert nicht mehr, weil die Arbeiterklasse nicht mehr da ist. Die ist fragmentiert, wir leben in einer individualisierten Gesellschaft, es ist schwierig … Die Gewerkschaften an ihrer Seite sind auch nicht mehr so stark. Sie haben Schwierigkeiten, ihre Wähler anzusprechen, und brauchen dafür eine neue Strategie. Und das heißt für mich, innen- und außenpolitisch neue Ideen zu entwickeln. Und nicht nur »ach, wir stehen für ein starkes Europa«.
Plakate im Wahlkampf 2009
Titelseite des Tagesspiegel nach der Wahl
28. September 2009